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Stadtplanung
Oslo, Bilbao, Hamburg. Was macht Kultur mit der Stadt?
Di, 11.01.2022, 10:00-12:00

MIT Jörn Walter, vormals Oberbaudirektor Hansestadt Hamburg
UND Regula Lüscher, frühere Senatsbaudirektorin von Berlin und Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen; Dr. Joëlle Zimmerli, Soziologin und Planerin FSU, Zimraum GmbH
MODERATION Anna Kleeblatt

 

Die Lecture #6 können Sie hier sehen:

Die gesamte Präsentation erhalten Sie hier:

 

Key Learnings aus der Lecture #6:

  1. Jüngere kulturelle Bau-Ikonen haben starke Impulswirkung auf den Wandel der Stadt. Beispiele hierfür sind die Oper in Oslo, das Guggenheim-Museum in Bilbao und die die Elbphilharmonie in Hamburg. Elementare Erfolgsfaktoren dieser Bau-Ikonen sind die Ästhetik der Einladung und Zugänglichkeit des Bauwerks, die bauliche Identifikation mit der Umgebung bzw. die Ortsgebundenheit und die Vermischung verschiedener Funktionen.

  2. Der Kreis derjenigen, die an Kulturveranstaltungen teilnehmen, soll durch die Anziehungskraft der neuen Architektur deutlich erweitert werden. Dies ist eine zentrale Zielsetzung, die in Oslo, Hamburg und Bilbao erfüllt worden ist. Dabei gilt:

  3. Ereignisarchitektur vs. Architekturereignis: Die „Ereignisarchitektur“, also der Bau für reine Symbolik, Schaustellung sowie Repräsentation, darf nicht zur Prämisse werden. Eine reine Selbstdarstellung ohne Berücksichtigung der Inhalte ist wenig erfolgsversprechend. Die Inhalte, Mitteilungen und Präsentation des „Architekturereignisses“ sind für den Erfolg des Neubaus entscheidend.

  4. Nur Kulturbauten scheinen in der Lage zu sein die gesellschaftlichen Kräfte, also das Zusammenwirken von Architektur, Politik und Öffentlichkeit, für eine gemeinsame Anstrengung zu bündeln. Dabei sind Opernhäuser, Konzertsäle und Theater extrem anspruchsvolle sowie kostenintensive Bauwerke, die eine äußerst sorgfältige Planung und gewissenhafte Aufklärung über mögliche Risiken (insbesondere bei Bestandsbauten) benötigen. Es braucht eine treibende, visionäre Kraft für solche Vorhaben: treibende Akteur:inenn können Einzelpersonen sein (Intendant:innen, Museumsdirektor:inne etc.), die Politik bzw. die öffentliche Hand als Eigentümer oder die Bürgerschaft, beispielsweise vertreten durch Freundeskreise, Sponsoren und / oder Fördervereine. Die Erfahrungen lehren, dass Projekte, die aus der Bürgerschaft heraus entstehen, eine größere Chance für eine breite öffentliche Akzeptanz haben als jene Bauprojekte, bei denen die Politik zu Handlungen aufgrund eines starken Sanierungsbedarfs gezwungen wird und diese teuren Vorhaben vertreten und weitere Akteur:innen zunächst dafür begeistern muss.

  5. „Kultur macht Stadt, wenn Stadt Kultur macht.“ Die Strategie, in die ein Kulturbau eingebettet wird, muss auch alle weiteren kulturellen Akteur:innen einbinden. Ein Neubau- oder Sanierungsprojekt darf nicht zum Nachteil weiterer Initiativ- und Basiskulturen werden. Denn sie sind für ihre jeweilige Umgebung von allerhöchster Bedeutung. Während des Baus der Elbphilharmonie wurden beispielsweise zahlreiche Musikschulen, (Band-)Probenräume und weitere Kunst- und Konzertsäle geschaffen, die sich nun ergänzen und gegenseitig stärken. Neben der Einbettung eines Baus in die stadtplanerische Gesamtstrategie sorgt eine Vervielfältigung des Angebots bzw. Programms der Kulturinstitution inklusive der entsprechenden Kommunikation für eine breite öffentliche Akzeptanz.

 

Key Learnings aus der Diskussion mit Jörn Walter, Regula Lüscher, Dr. Joëlle Zimmerli und Anna Kleeblatt:

  1. Wesentliche Akteur:innen sollten zu Beginn eines Kulturbau- oder Sanierungsprojekts an einen Tisch gebracht werden, um Potenziale und Risiken der Vorhaben zu besprechen. Dazu gehören neben den Kulturpolitiker:innen und den Betreiber:innen der betroffenen Kulturinstitution, weitere Finanziers sowie Stakeholder und Partner:innen, wie beispielsweise Tourismus-Vertreter:innen, die stark vom Image einer Kulturinstitution profitieren bzw. abhängig sind.

  2. Zudem braucht es eine kulturpolitische Diskussion mit allen Kulturschaffenden einer Stadt, um Konkurrenz-Situationen zu vermeiden und gemeinsame Potenziale rund um einen neuen Kulturbau offen zu besprechen.

  3. Interimsspielstätten wird eine Doppelfunktion zugewiesen: Zum einen sind sie für die Kulturinstitution selbst nicht nur eine Zwischenstation, sondern eine strategische Chance, um das Programm einem breiteren Publikum zu präsentieren. Zum zweiten sind sie stadtplanerisch von großer Bedeutung, denn über die Interimsnutzung hinaus können sie im Hinblick dezentraler Ideen und soziale Aspekte ganze Quartiere aufwerten und für neue Angebote genutzt werden. In jedem Fall brauchen Interimsspielstätten eine Verankerung in der stadtplanerischen Gesamtstrategie, um auch nach der Interimsphase produktiv, künstlerisch und / oder sozial gebraucht zu werden.

  4. Damit sich eine Kulturinstitution während einer Bauphase weiterentwickeln kann, müssen Antworten auf zwei zentrale Fragen gefunden werden: Wie tickt die aktuelle und zukünftige Stadtbevölkerung? Wie definiert sich das Selbstverständnis des Kulturbaus und dessen Leitung?

  5. Der kulturpolitische Rückhalt und die Rückbindung von Kulturbauten in das Konzept der Stadtentwicklung sind zentrale Faktoren für den Erfolg eines Kulturbau- bzw. Sanierungsprojekts. Darüber hinaus bedarf es immer führende Akteur:innen bzw. Partner:innen, die auch über Legislaturperioden und Amtszeiten hinaus aktiv bleiben.

 

Diese Expert:innen und Visionär:innen waren dabei:

Jörn Walter
Experte Lecture #6

Jörn Walter war von 1999 bis 2017 Oberbaudirektor der Freien und Hansestadt Hamburg und leitete in der Nachwendezeit von 1991 bis 1999 das Stadtplanungsamt der Landeshauptstadt Dresden.

Nach dem Studium der Raumplanung an der Universität Dortmund lehrte er später neben seiner hauptamtlichen Tätigkeit an den Technischen Universitäten in Wien und Dresden, der Hochschule für bildende Künste und der HafenCity Universität in Hamburg sowie der Hochschule Düsseldorf Städtebau. Daneben engagierte er sich in vielen Gremien, Jury’s und durch zahlreiche Publikationen.

Jörn Walter ist Mitglied der Akademien der Künste in Berlin, Sachsen und Hamburg sowie der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung.

Regula Lüscher
Teilnehmerin Lecture #6

Regula Lüscher ist eine Architektin und Stadtplanerin, die sich für klimaneutrale Architektur einsetzt. Nach ihrem Studium der Architektur an der ETH Zürich arbeitete sie in einem Zürcher Architekturbüro und im Atelier von Adolf Krischanitz in Wien.
1989 bis 1998 führte sie zusammen mit Patrick Gmür ein eigenes Architekturbüro in Zürich. Sie arbeitete von 2001 bis 2007 als stellvertretende Direktorin für das Amt für Städtebau der Stadt Zürich. Dort entwickelte sie das Gewerbeareal Zürich West zu einem neuen Wohn- und Dienstleistungsviertel.

Am 01. März 2007 wurde sie zur Senatsbaudirektorin und Staatssekretärin in der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ernannt. Im Jahr 2011 erhielt sie dank ihrer großen Expertise, Kompetenz und Vernetzung im Bereich Städtebau eine Honorarprofessur der Universität der Künste Berlin. Regula Lüscher ist Mitglied im Bund Deutscher Architekten sowie in der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung. Sie war bis Ende Juli 2021 Senatsbaudirektorin von Berlin und Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen.

Dr. Joëlle Zimmerli
Teilnehmerin Lecture #6

Dr. Joëlle Zimmerli, Soziologin und Planerin FSU, untersucht die Anforderungen und Ansprüche, die unterschiedliche Nutzer und Nutzungsformen an die Areal-, Stadt- und Regionalentwicklung stellen. Sie stützt sich auf Methoden der empirischen Sozialforschung, um die Schnittstellen zwischen gesellschaftlichen, raumplanerischen und wohnungswirtschaftlichen Fragestellungen neu zu vermessen und damit akzeptierte, tragfähige und nachhaltige Nutzungskonzepte zu verankern.

Anna Kleeblatt
Moderation Lecture #6

In dem Theater ihrer Eltern großgeworden, war Anna Kleeblatt bereits während ihres Studiums der Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Marketing an verschiedenen Musiktheatern tätig. Von 2003 bis 2005 war sie bei der Bundesgartenschau München für die Neupositionierung innerhalb der Bereiche Marketing, Werbung und Merchandising tätig. Von 2006 bis 2012 setzte sich Anna Kleeblatt an der Bayerischen Staatsoper als Leitung für Vermarktung, Vertrieb und Steuerung Development für den Ausbau der internationalen Vertriebsaktivitäten ein und war für die Betreuung des Marketings sowie für die Planung und Steuerung der Auslastung von Opern- und Konzertveranstaltungen zuständig. Seit 2012 ist Anna Kleeblatt als selbstständige Unternehmensberaterin für Kulturinstitutionen und -unternehmen in den Bereichen Marketing, Sales & Service tätig. Darüber hinaus ist sie Lehrbeauftragte an der Hochschule für Musik und Theater München, Masterstudiengang Kulturmanagement, und der Theaterakademie August Everding, sie ist Mitglied im Arbeitskreis Strategie der Tourismus Initiative München und hält regelmäßig Vorträge u.a. beim Deutschen Bühnenverein. Als Initiatorin des Faust-Festival München erhielt sie die Auszeichnung der Europäischen Trendmarke des Jahres 2018.

Anna Kleeblatt hat die Organisation, Durchführung und Dokumentation des Projekts KULTURBAUTEN DER ZUKUNFT inne und moderiert die Digital Lectures.