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Architektur – mutig und verrückt muss sie sein
Di, 07.12.2021, 10:00-12:00

Warum muss Architektur mutig und verrückt sein? Was braucht es, um Grenzen konventioneller Architektur zu überschreiten? Wie macht sich innovative Architektur für eine Stadt bezahlt?

MIT Prof. Peter Haimerl, Professor für Architektur und Leiter der Abteilung Architektur:zoomtown
UND Christos Chantzaras, Make Munich Weird; Stefan F. Höglmaier, Geschäftsführender Gesellschafter der Euroboden GmbH
MODERATION Anna Kleeblatt

Videogruß von Boris Kochan

Präsident des Deutschen Designtages und Vizepräsident des Deutschen Kulturrates

 
 

Die Lecture #4 können Sie hier sehen:

 

Key Learnings aus der Lecture #4:

  1. Das Besondere an Kulturbauten ist, dass ihre Architektur – anders als bei kommerziellen Gebäuden – nicht immer sinnvoll sein muss. Kultur „darf auch mal drüber sein“. Diese nicht-kommerzielle Architektur erhebt nicht den Anspruch bestimmte Probleme zu lösen, denn Kulturbauten bieten mehr als eine reine Zweckerfüllung. Sie sind Orte, die weniger verstanden als erfahren und diskutiert werden sollten.

  2. Wer arbeitet mutig und verrückt, wenn es nicht die Architekt:innen sind? Durch neue und mutige Konzepte beleben und revitalisieren sie Flächen und Regionen. Städte ohne Kulturbauten sind hingegen nur eine Agglomeration von Häusern.

  3. Wenn Kultur einmal an einem Ort implementiert worden ist – und dafür eignen sich spannende Kulturbauten besonders gut –, dann wachsen Kunst und Kultur an diesem Ort wie von selbst weiter. Kulturorte produzieren kulturellen Wert, aber auch materiellen Wert und wirtschaftliche Stärke im direkten Umfeld. So dienen Kulturbauten auch der Regeneration ländlicher Gegenenden, denn durch sie rückt die Peripherie ins Zentrum.

  4. Kultur braucht nicht zwangsläufig einen festen Raum. Konzepte zur Nutzung der öffentlichen und digitalen Räume erweitern derzeit das Spektrum bzw. die Szenerie der Architektur.

  5. Zu guter Letzt muss gelungene Architektur von Kulturorten mutig und verrückt sein, weil erfolgreiche Kulturprotagonist:innen diese mutige Architektur brauchen.

Key Learnings aus der Diskussion mit
Prof. Peter Haimerl, Christos Chantzaras, Stefan F. Höglmaier und Anna Kleeblatt:

  1. Das „Abwälzen“ der Stadt- und Regionsentwicklung und der mutigen sowie kreativen Ideen auf einzelne Architekt:innen und auf das starre öffentliche Wettbewerbsverfahren mit eng formulierten Aufträgen reicht nicht aus, um nachhaltige, partizipative, kreative und mutige Orte zu schaffen.

  2. Die Politik muss gemeinsam mit engagierten Vordenkern der Stadt Visionen entwickeln, die als Grundlage für partizipative Prozesse mit der breiten Öffentlichkeit dienen. Eine Vision für das zu bebauende Gelände, den zu sanierenden Bau bzw. für die Stadt muss klar sein, bevor Architekt:innen dazu kommen. Öffentliche Bauherren können somit Veränderung ermöglichen und Raum für mutige Ansätze schaffen.

  3. Auch privatwirtschaftliche Unternehmen einer Region bzw. Stadt müssen sich ihrer Rolle als Gestalter bewusst werden und ihren Beitrag – über Sponsoring hinaus – zur Stadt- und Regionsentwicklung leisten – selbst dann, wenn sich dieser Beitrag nicht unmittelbar rentiert, sondern langfristig einen Standort erst für kommende Generationen attraktiv werden lässt.

  4. Das Wettbewerbsverfahren müsste im Sinne mutiger Ideen überdacht werden, denn die Wettbewerbsbeiträge der Architekturbüros entstehen entlang streng geregelter Ausschreibungen, ohne Rücksicht auf die eigentlichen gesellschaftlichen, kreativen, psychologischen Kernanforderungen der Region bzw. des zu bauenden oder zu sanierenden Gebäudes.

  5. In den herkömmlichen Wettbewerbsverfahren investieren viele Architekturbüros ihre Kreativität in detailliert ausgearbeitete Beiträge, die dann nicht ausgewählt und umgesetzt werden. Es bedarf einen nachhaltigen Umgang mit dem kreativen Potenzial der Branche. Was wäre möglich, wenn mit der Kreativität aller Architekturbüros langfristig, kooperativ und nachhaltig umgegangen würde? Was wäre, wenn die Ideen aus den Wettbewerben in weitere Visionen einfließen?

Diese Expert:innen und Visionär:innen waren dabei:

Prof. Peter Haimerl
Experte Lecture #4

Als realisierender Architekt mit eigenem Büro konzentriert sich Peter Haimerl auf Projekte, die die Grenzen konventioneller Architektur überschreiten. Sein Anspruch ist, mit jedem Projekt faszinierende, unkonventionelle Lösungen zu gestalten und Innovationen zu entwickeln. Um dieser konzeptionellen Anforderung gerecht zu werden, ist sein Arbeitsprozess geprägt vom Austausch und der Einbindung verschiedenster Expert:innen. Dabei entstehen ganzheitliche Konzepte, in denen Architektur mit Bereichen wie Computerprogrammierung, Soziologie, Wirtschaft, Politik, Musik oder konzeptioneller Kunst fusioniert. So besteht zum Beispiel das Projekt zoomtown seit 2000 als offene Forschungsplattform zur Optimierung und Reorganisation städtischer Umwelt.

Unter dem Leitmotiv Mehr Wert mit Geschichte widmet sich Peter Haimerl dem Thema Bauen im Bestand. Im Rahmen der von ihm ins Leben gerufenen HAUS.PATEN Bayerwald-Initiative engagiert er sich umfassend für die Baukultur im Bayerwald, wie mit dem Denkerhaus am Schedlberg. Er hatte Lehraufträge an der Fachhochschule München, der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und eine Gastprofessur an der Universität Kassel. Seit dem Wintersemester 2019/20 hält Peter Haimerl eine Professur an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz für die Abteilung Architektur:zoomtown inne.

Christos Chantzaras
Teilnehmer Lecture #4

Christos Chantzaras hat über zehn Jahre als Architekt von Büro-, Forschungs- und Entwicklungs- sowie Produktionsgebäuden gearbeitet. Nach Tätigkeiten in Shanghai, Shenyang und Berlin wechselte er 2017 an die Architekturfakultät der Technischen Universität München. Dort befasst er sich mit dem Zusammenhang von physischem Raum, Kreativität und Innovation sowie Architectural Entrepreneurship.
Er ist Managing Director des TUM Venture Lab Built Environment, um Innovationen im Bereich der gebauten Umwelt zu fördern. Als freier Architekt und Berater begleitet er mit seinem Büro the permanent beta Transformationsprozesse an der Schnittstelle von Raum, Innovation, Organisation.

Stefan F. Höglmaier
Teilnehmer Lecture #4

Bereits in jungen Jahren entdeckt Stefan F. Höglmaier seine Leidenschaft für Architektur und sein Interesse an Immobilienmärkten.

Im Jahr 1999 gründet er die Euroboden GmbH und kreiert damit die erste Architekturmarke der Immobilienbranche. Stefan Höglmaier ist bis heute geschäftsführender Gesellschafter des prosperierenden mittelständischen Unternehmens, das sich dem Kernwert der „Architekturkultur“ verpflichtet fühlt.

Höglmaier ist auch Initiator des Kunstraums BNKR im von ihm umgewandelten Hochbunker in München-Schwabing.

Anna Kleeblatt
Moderation Lecture #4

In dem Theater ihrer Eltern großgeworden, war Anna Kleeblatt bereits während ihres Studiums der Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Marketing an verschiedenen Musiktheatern tätig. Von 2003 bis 2005 war sie bei der Bundesgartenschau München für die Neupositionierung innerhalb der Bereiche Marketing, Werbung und Merchandising tätig. Von 2006 bis 2012 setzte sich Anna Kleeblatt an der Bayerischen Staatsoper als Leitung für Vermarktung, Vertrieb und Steuerung Development für den Ausbau der internationalen Vertriebsaktivitäten ein und war für die Betreuung des Marketings sowie für die Planung und Steuerung der Auslastung von Opern- und Konzertveranstaltungen zuständig. Seit 2012 ist Anna Kleeblatt als selbstständige Unternehmensberaterin für Kulturinstitutionen und -unternehmen in den Bereichen Marketing, Sales & Service tätig. Darüber hinaus ist sie Lehrbeauftragte an der Hochschule für Musik und Theater München, Masterstudiengang Kulturmanagement, und der Theaterakademie August Everding, sie ist Mitglied im Arbeitskreis Strategie der Tourismus Initiative München und hält regelmäßig Vorträge u.a. beim Deutschen Bühnenverein. Als Initiatorin des Faust-Festival München erhielt sie die Auszeichnung der Europäischen Trendmarke des Jahres 2018.

Anna Kleeblatt hat die Organisation, Durchführung und Dokumentation des Projekts KULTURBAUTEN DER ZUKUNFT inne und moderiert die Digital Lectures.